Sonntag, 23. Juni 2019

2. Bundesliga Nord, 3. Rennen in Eutin, 16.06.2019

Samstag 18.05.2019; 29 Tage vor Eutin:

Endlich! Nach langen Wintermonaten geht es endlich los. Zusammen mit Janne habe ich mich monatelang auf diesen Wettkampf gefreut: Der Auftakt der zweiten Bundesliga Nord in Gütersloh. Mit großen Verbesserungen in allen Disziplinen waren wir extrem gespannt auf diesen Tag. Was meine Stimmung noch steigerte, war der erleichternde Umstand, dass ich meine Abiturprüfungen endlich abgeschlossen hatte. Alles war im Grunde perfekt gelaufen. Bis zum Laufen am Vortrag. Es werden noch Scherze gemacht, die Stimmung ist super. Dann ist da dieser Bordstein. Auf einmal liege ich auf der Strasse. Irgendwie realisiere ich fast sofort, dass das gerade echt ernsthaft ist. Mein erster Gedanke: „Der Knödel wird mich hassen, wenn er jetzt durchlaufen muss.“

Zwei Stunden später:
Nach hitziger Diskussion mit dem Arzt der Notaufnahme des Klinikums Gütersloh sehe ich ein, dass ich morgen nicht am Start stehen werde. Sorry, Knödel.
Den Wettkampftag erlebe ich von meinem Liegstuhl am Streckenrand, neben der Freude über den Teamerfolg ist da natürlich auch große Unzufriedenheit. Ein falscher Schritt und jetzt das.

20.05.2019:
Montag, 7:30 Uhr, Arzttermin, man will ja keine Zeit verlieren. Die erste Vermutung des Arztes ist ein Riss des Syndesmosebandes. Das bedeutet 3 Monate Pause und OP. „Ok, die Saison ist gelaufen.“ , denke ich. Doch das MRT gibt Entwarnung. Eigentlich ist nichts richtig kaputt, aber alles ist recht mitgenommen: Kapselanriss, das Syndesmoseband ist wohl vorne teilweise gerissen, Außenband gedehnt. Ergebnis: 4-6 Wochen bis ich wieder voll trainieren kann. 

22.05.2019 18:00 Uhr 25 Tage vor Eutin:
Warum gucken die mich alle so komisch an? Sonst bin ich doch auch immer beim Schwimmtraining...
Heute bloß mit einem in Kinesiotape fixierten Fuß, die Schiene vom Arzt liegt tief unten in meiner Tasche. Mit meinem Pullbuoy schwimme ich 3,2km. Ein Anfang.

24.05.2019 23 Tage vor Eutin:
Ich habe keine Lust mehr auf meinen Pullbuoy, zum ersten Mal schwimme ich wieder „normal“, aber sehr langsam. Der Fuß wirkt wie ein Bremsklotz.
Doch es sind auch erst 6 Tage seit dem Unfall vergangen. Schon jetzt gehe ich fast wieder normal. Bei der Physiotherapie, die ich in dieser Woche sechs Mal aufsuche, mache ich auch Fortschritte. Eigentlich gehe ich da nur hin, weil es Kekse gibt, doch mein Fuß profitiert auch.

25.05.2019 2. Bundesliga Hannover
Krass. Janne gewinnt. Das Team gewinnt. Aber da ist immer wieder diese Gedanke: „Du hättest es auch draufgehabt, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Aber ein falscher Schritt und jetzt stehst du hier und guckst nur zu.“ Auf der Zugfahrt nach Berlin bin ich gut gelaunt. Auch wenn es persönlich nicht toll ist, verletzt zu sein, die Gesellschaft meiner Teamkollegen tut mir gut. Selbst verletzt in Gütersloh haben sie meine Laune deutlich gesteigert. Und durch den Sieg sind alle natürlich im siebten Himmel.

In der darauffolgenden Woche überrundet mich gefühlt jeder beim Schwimmen. Und auch das stundenlange Fahren auf der Rolle ist nicht gut für meine Laune. Einzige Abwechslung: Ich fahre auch einmal ein paar K3-Intervalle. Einziges Highlight der Woche: Ich darf bei der Physiotherapie Kekse essen.
Gelinde ausgedrückt: Ich war echt schlecht drauf. Und auch in der nächsten Woche bin ich zunächst nicht besser drauf. Obwohl ich extrem viel in diesen Wochen schwimme, kann ich beim gemeinsamen Freiwasserschwimmen kein Paar Füße halten. Das fällt natürlich allen auf. Karl Stach sagte mir nach einer Einheit: „Ich hab mich immer wieder umgedreht um zu schauen wo du warst, damit ich dir Wasserschatten geben kann.“ Sehr nett von ihm, aber auch irgendwo frustrierend für mich, nicht schneller vorwärts zu kommen.
Doch so langsam zeigt sich das Ergebnis meines Trainings auf der Rolle: Beim Koppeln (Schwimmen/Radfahren) habe ich ordentlich „Overdruck“. Um meine Laune hochzuhalten, schaue ich mir Videos zum Roubaix-Sieg 2016 von Matthew Hayman an, 6 Wochen zuvor hatte er sich seinen Arm gebrochen. Das wäre doch was. 6 Wochen nach Gütersloh ist die DM in Grimma. Klingt fair.

14 Tage vor Eutin:
Am 2.6., zwei Wochen vor dem Wettkampf, erklärt mir Hoffi, dass ich in Eutin starten soll. Als erklärtes Ziel für den Wettkampf galt eine Top5-Platzierung in der Teamwertung. Aufgrund der dünnen Besetzung muss ich ran, eigentlich nur zum Absichern.
Also wird die Behandlungsstrategie gewechselt: Volles Risiko, um schnellstmöglich Laufen zu können. Es klappt holprig. Ich beginne mit Läufen über einen Kilometer, dann zwei, dann vier. Es ist alles sehr unrund, extrem langsam und anstrengend.
Am Dienstag vor dem Wettkampf stehe ich nachmittags dann auf der Bahn, schon das Einlaufen macht mir die Hoffnungen auf ein gutes Rennen am Wochenende zunichte. Bei den Tempoläufen halte ich mich an Martha, doch auch sie läuft eigentlich zu schnell.
Erst in den letzten Tagen vor dem Wettkampf fühle ich mich besser, beim letzten Schwimmen in Berlin kann ich mit Maurice „Marek“ Witt mithalten.







Ein Tag vor Eutin:
Bei angenehmen Temperaturen von rund 30 Grad geht es am Samstag nach Eutin. Natürlich hat unser Bus keine Klimaanlage, aber solange die Musikanlage funktioniert, bin ich zufrieden. Marek sitzt am Steuer, ich auf dem Beifahrersitz und unsere tschechische Unterstützung Jakub Powada holt den Schlaf der letzten Nacht nach, er musste schließlich schon um 4 Uhr morgens den Weg nach Berlin antreten.











 Ein Vorteil der Abwesenheit von Teamleiter Hoffi und dessen Gehör mit der Empfindlichkeit eines Senioren ist, dass man endlich mal Musik mit zweifelhaften Inhalten auf voller Lautstärke hören kann. Jakub schläft trotz alledem friedlich weiter.
Am Wettkampfort angekommen treffen wir Nils und unseren Ultra Jürgen. Wir führen das standardmäßige Prozedere von Streckenbesichtigung und Lamentieren über diese, dem Einchecken ins Hotel und dem gemeinsamen Abendessen beim Italiener durch. Zusätzlich dazu darf ich dieses Mal auch an der Wettkampfbesprechung teilnehmen, die, wenn man alles nicht so ernst nimmt, sehr zur Belustigung beiträgt.
Später am Abend erreicht uns noch Jonas, der Knödel, Repmann.






Am nächsten Morgen erwache ich schon kurz vor dem Wecker, was ich aufgrund unseres knappen Zeitplans und der frühen Startzeit nicht schlimm finde. Marek dagegen betätigt seelenruhig die Schlummer-Taste. Somit sehe ich mich gezwungen ihn vorsichtig zu wecken, bevor wir noch das Frühstück verpassen. Marek scheint noch sichtlich mit der frühen Tageszeit überfordert, ein Umstand der mich sehr wundert, da er ja beim Schwimmen auch das Anballern wie kein Zweiter beherrscht.

Direkt nach unserer Ankunft am Wettkampfort wird bekannt gegeben, dass die Wassertemperatur 19,2 Grad beträgt, was das Schwimmen im Neo erlaubt. Eigentlich für unser schwimmstarkes Team ein Nachteil, ich persönlich bin aber von der Aussicht einer verbesserten Wasserlage, die zuvor unter meinem verletzten Fuß litt, angetan. Als sich nach dem Einschwimmen im Wasser des Großen Eutiner Sees aufgereiht wird, geschieht etwas sehr Typisches: Vor allem in der Mitte bewegen sich die Athleten immer weiter nach vorne. Die Ausrichter erwidern klassisch mit „Erst wenn alle hinter der Linie sind, wird gestartet“, was aber von allen Athleten minder bis gar nicht ernst genommen wird, ist man doch im Besitz von Erfahrungen aus zahlreichen Ligarennen, bei denen dennoch gestartet wurde. 9 Minuten lang geht dieses Hin und Her, von einem Athleten am Start als „die Rache von Norbert Aulenkamp für verspätete/unordentliche Meldungen“ bezeichnet. Als dann bekanntgegeben wird, dass der Start sich weiter verzögere, da die Radstrecke immer noch nicht freigegeben sei, verlassen alle Athleten das Wasser. Bei der anschließenden, erneuten Aufstellung platziere ich mich in der nun frei gewordenen Mitte, mit fast einem Meter Platz zu beiden Seiten. Das Startsignal erfolgt wenig eindeutig, doch ich realisiere noch halbwegs schnell, dass ich nun endlich schwimmen darf. Ohne Berührungen mit anderen Athleten geht es für mich los. Schnell bemerke ich, dass ich gar nicht so weit hinten platziert bin wie gedacht. Links neben mir erblicke ich Teamkollegen und Über-Schwimmer Jakub, an dessen Füßen ich die restlichen 100m der 300m bis zur ersten Boje verbringe. (https://www.instagram.com/p/BylPQRShghP/?igshid=1q71w4c2l8ynz) Auch dort entgehe ich allem Gedränge, und kann ebenfalls einen bekannten Schwimmstil vor mir ausmachen. Marek schwimmt direkt vor mir auf Position 5/6, neben ihm Jakub. In dieser Formation legen wir die restliche Schwimmstrecke zurück, bei dem hohen Tempo realisiere ich nicht, dass sich hinter mir nur noch ein weiterer Athlet befindet bevor uns eine große Lücke vom Hauptfeld trennt. Aus dem Wasser als Siebter und durch einen schnellen Wechsel (https://www.instagram.com/p/ByKmDWnhpUY/?igshid=bf6tvghjdij9) etwas weiter vorne kämpfe ich mich die lange Strecke zum Radaufstieg. Erste Erleichterung macht sich dann auf dem Rad bei mir breit, war dies doch mein bisher bestes Schwimmen gewesen und hatte ich es als letzter in die Spitzengruppe geschafft. Unsere siebenköpfige Spitzengruppe mit drei Friesen arbeitet gut zusammen, sodass wir den Vorsprung von 30 Sekunden nach der ersten Runde kontinuierlich ausbauen können. So gehen wir mit fast 60 Sekunden Vorsprung auf das große Hauptfeld mit beinahe allen Athleten, inklusive Jonas Repmann und Nils Dehne, auf die Laufstrecke. Die fünf Radrunden waren recht hügelig und somit definitiv nicht anspruchslos, was unserer Gruppe zu Gute kam. Nils beschrieb das Gefühl, drei Teamkollegen vor sich in der Spitzengruppe zu sehen, als sehr beruhigend. Beim Radabstieg können die Zuschauer, für die die Strecke zur Wechselzone von den Ausrichtern als „sehr freundlich“ beschrieben wurde, dreimal Grün-Gold ganz vorne bestaunen, was Anton Schiffer, der in der Spitzengruppe einen wichtigen Teil zur Führungsarbeit beigetragen hatte, auf dem Weg zur Wechselzone zunichte macht. Doch nach dem Wechsel befinde ich mich wieder auf Platz eins, Marek auf Platz zwei und Jakub auf Platz drei. Hübsches Bild!
Jonas läuft auf Gesamtplatz 13 aus der Wechselzone, Nils folgt etwas dahinter.
Lange laufen Marek, Jakub und ich dann auf den Plätzen 3,4,5. Schnell spüre ich jedoch die wenigen Laufkilometer der letzten vier Wochen, kombiniert mit bestimmt 800 Metern Barfuß-Laufen. Mein Knöchel beginnt zu pochen und ich werde immer langsamer. Noch halte ich die Position bis auf der letzten Runde die schnellen Läufer aus dem Hauptfeld vorbeilaufen. Als Felix Nadeborn mit gefühlt doppelter Geschwindigkeit an mir vorbeizieht, erkenne ich, dass es definitiv noch Einiges zu verlieren gibt. Vor mir sehe ich jedoch mit Freuden, dass Marek endlich seine Top10 Platzierung erreichen wird. Er kommt auf Position 9 ins Ziel, Jakub folgt dahinter auf 10 und ich auf Position 11. Nils erreicht das Ziel als 39., Jonas folgt nur wenige Plätze dahinter auf Platz 45.

Es gewann Anton Schiffer vor Valdemar Solok und Felix Nadeborn.

Im Ziel ist Marek erleichtert, es endlich unter die ersten Zehn geschafft zu haben, Jakub dagegen eher enttäuscht, nachdem er in Hannover hinter Janne Büttel den zweiten Platz belegt und eigentlich mit dem Sieg geliebäugelt hatte. Ich bin vor allem ordentlich kaputt: Nur vier Wochen nach der Verletzung, beste Platzierung in meiner bisherigen Karriere in der Liga, sowie ein sehr gutes Schwimmen können Einen aber wohl kaum enttäuschen. Nils konnte seine Leistung von Hannover leicht verbessern, identifizierte jedoch fleißig direkt im Nachzielbereich Punkte, an denen noch gearbeitet werden kann. Währendessen stillte der Knödel seinen Cola-Durst mit einer ganzen 1,5-Liter Flasche, anstelle eines mickrigen Pappbechers wie die anderen Anfänger.

Nach kurzem Überschlagen ist klar, dass man das Ziel der Top5 definitiv erreicht hat. Später stellt sich heraus, dass dies auch ohne meine Leistung erreicht worden wäre. Nach einigen Telefonaten mit den Startern des Deutschlandcups in Jena sowie dort anwesendem Teamleiter Hoffi sind wir neben unserem Ergebnis auch wegen der extrem starken Leistungen der Berliner Athleten und Athletinnen in Feierlaune.
(Martha Gastell gewann in der Jugend A, Janne belegte in derselben Altersklasse bei den Jungen Platz drei. Helena Weinreich gewann in der Jugend B, Lara Ungewickell landete bei den Juniorinnen auf Platz zwei.)
Für uns ist es nun ein zweiter Platz in der Teamwertung für diesen Wettkampf, aber aufgrund der Ergebnisse der anderen Teams sind wir nun Tabellenführer, weshalb schon das ein oder andere mal „Spitzenreiter“ - Schreie von unserer Seite aus zu hören sind.
Somit konnten wir mit guter Laune den Geburtstag von Teammitglied Jakub feiern, es gab überaus leckere Benjamin Blümchen Torte :-)



Für die nächsten beiden Ligarennen werden wir definitiv noch einmal alles in die Waagschale werfen, ein gesetztes Ziel wurde von Teamkapitän Marek bereits ausgerufen: mindestens 4 Athleten in einer Spitzengruppe mit höchstens 10 Athleten.


Benedikt Bettin

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